Mit Barrieren reisen

Im Jahr 2009 hätte die Deutsche Bahn Pläne vorlegen sollen, um Menschen im Rollstuhl das Reisen mit dem Zug ohne Hilfe zu ermöglichen. Aber bis heute gibt es viele Probleme für Menschen mit Behinderungen im Bahnverkehr.

Wenn Luca Hieret mit dem Zug reisen möchte, muss sie eine genaue Planung machen. Als Rollstuhlfahrerin ist sie auf die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn angewiesen, um ihre Reise zu organisieren. Das Problem ist, dass der Mobilitätsservice in kleineren Städten nur bis 20 Uhr verfügbar ist, sagt sie. Ohne Hilfe vom Personal ist es für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oft schwierig oder sogar unmöglich, den Zug zu nutzen. Vor allem bei Fernreisen, besonders mit den ICE-Zügen, kann das Reisen zur Qual werden.

Was bedeutet Barrierefreiheit beim Bahnfahren?

Es geht bei der Diskussion über Barrierefreiheit beim Bahnfahren nicht nur um funktionierende Aufzüge, die den Weg vom Bahnhof zur Bahnsteigkante ermöglichen, sondern um Rampen, Hublifte, barrierefreie Toiletten, Personal und andere Dinge. Es geht darum, wie Menschen mit Behinderungen am sozialen Leben teilnehmen können. Die Sprecherin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL), Sigrid Arnade, sagt, dass die Gesellschaft oft noch mehr von Ausgrenzung als von Inklusion geprägt ist. Menschen mit Behinderungen sind oft noch Außenseiter, die entweder bemitleidet oder bewundert werden, aber nicht als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft angesehen werden.

Laut Arnade haben Menschen mit Behinderungen das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe. Die Deutsche Bahn hätte seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 Pläne vorlegen müssen, um das Zugfahren für Rollstuhlfahrer ohne Hilfe zu ermöglichen. Aber das ist bis heute nicht passiert. Diese Konvention wurde von 182 Staaten angenommen, um Menschen mit Behinderungen Chancengleichheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das Zusatzprotokoll (Stand: April 2021) haben 98 Staaten akzeptiert.

Wie sieht die Barrierefreiheit bei der DB aus?

Die Deutsche Bahn betreibt etwa 5.700 Bahnhöfe. Davon sind ungefähr 1.100 nur über Treppenstufen erreichbar. Im Nahverkehr haben 80 Prozent der Züge Möglichkeiten für spontane Reisen. Bei den restlichen 20 Prozent und bei den ICE- und Intercity-Zügen muss man sich jedoch vorher anmelden, um Hilfe zu bekommen.

Die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn hilft Rollstuhlfahrern und anderen mobilitätseingeschränkten Menschen beim Ein- und Aussteigen, wenn es Treppenstufen zu überwinden gibt. Etwa 2.000 verschiedene Hilfeleistungen werden jeden Tag angeboten. Da nicht überall immer Personal verfügbar ist, empfiehlt die Bahn, sich bis 20 Uhr am Vortag anzumelden. Dies ermöglicht es, die nötige Unterstützung für die Reise zu planen.

Arnade findet diese Anmeldefrist als vorübergehende Lösung akzeptabel. Aber sie sagt auch, dass es jetzt schon möglich sein sollte, jederzeit Unterstützung zu erhalten, wenn Züge fahren, solange man sich vorher anmeldet. Ein solcher Prozess läuft derzeit vor dem Verwaltungsgericht.

Luca Hieret erklärt, was die begrenzte Auswahl an Zügen und die vorherige Anmeldung im Alltag bedeuten. Das Anmeldeformular auf der Bahn-Website sei kompliziert und schwer verständlich. Hieret findet es einfacher, eine E-Mail zu schicken oder anzurufen.

Außerdem müssen Personen, die auf die Hilfe des Mobilitätsteams angewiesen sind, oft einen höheren Ticketpreis zahlen, besonders zu Stoßzeiten. Wer Fahrten in den weniger beliebten Zeiten bucht, kann oft von günstigeren Preisen profitieren. Rollstuhlfahrer können solche Angebote jedoch nicht nutzen, wenn es im Zug keinen Hublift gibt oder wenn das Mobilitätsteam nicht verfügbar ist.

Die Deutsche Bahn investiert derzeit in etwa 300 ICE-Züge, darunter auch den neuen ICE L, der im nächsten Jahr als erster stufenloser ICE auf der Strecke Berlin–Amsterdam fahren soll. Bis 2025 sollen die Hälfte ihrer Züge mit Hubliften oder ebenerdigen Einstiegen ausgestattet sein.

Viele Betroffene finden das jedoch nicht ausreichend. Bernhard Endres ist Teil einer Arbeitsgruppe der Bahn für Barrierefreiheit und auf einen Rollstuhl angewiesen. Er sagt, dass Menschen mit Behinderungen nur selbst bestimmt reisen können, wenn sie ohne Hilfe alle Züge nutzen können, auch nach einer bestimmten Uhrzeit. Er setzt sich für mehr ebenerdige Einstiege ein, um von der zusätzlichen Zeit und dem Aufwand der Sonderbehandlung wegzukommen.

Der Weg zu vollständiger Barrierefreiheit in den Zügen ist jedoch noch lang. Selbst die Bahn, die einen stufenlosen Einstieg für alle wünschenswert findet, sieht keine Möglichkeit, dies an jedem Bahnhof zu ermöglichen. Unterschiedliche Bahnsteighöhen machen das langfristig unrealisierbar.

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